16b Über ein besonderes Wochenende

Wenn du mittendrin anfängst, verstehst du nicht alles: Beginne lieber am Anfang.

Als auch ich endlich unten im Speisesaal ankomme, sind alle anderen schon da. Fröhliches Geschnatter schallt mir bereits drei Abzweigungen zuvor unüberhörbar entgegen. Ich finde es faszinierend, wie La Sola in Majikku und in Rebecca präsent ist und trotzdem genug Raum für den individuellen Geist der beiden Mädchen bleibt. Julia diskutiert mit beiden gleichzeitig, was durchaus ihr Ding ist, aber dass die beiden Physen dabei sogar unterschiedliche Ansichten vertreten, das ist selbst mir neu. Ich hatte allerdings auch noch nie das Vergnügen, zweimal La Sola im selben Zimmer zu erleben. Dieses Wochenende ist schon ein sehr besonderes Wochenende.

„Guten Morgen, ihr Lieben“, rufe ich gut gelaunt in den Raum.

„Guten Morgen“, kommt prompt zurück. Doch eine halbe Sekunde später sind die drei schon wieder mit ihrem eigenen Thema beschäftigt. Was für ein Erlebnis. Dreimal La Sola für Julia und zweimal La Sola für mich.

Julia hat Twocloud erlebt. Nicht so wie ich seinerzeit, in Lendenschurz und Mokassins, aber mit der gleichen Weisheit. Wir sind die Kinder La Solas. Wir sind hier, um erwachsen zu werden. Wir müssen Fehler machen und daran wachsen. Wir müssen uns unserer Fähigkeiten bewusst werden. Jeder einzelne Mensch muss das. Es ist nicht richtig, die Verantwortung über das eigene Leben einem Vertreter zu übergeben und anschließend über sein Versagen zu meckern.

Wir müssen endlich lernen, in die Selbstverantwortung zu kommen. Dazu müssen wir allerdings zuvor die Selbsterkenntnis erlangen. Wir müssen uns, jeder für sich allein, als Schöpfer unserer eigenen Zukunft erkennen. Wir müssen uns selbst akzeptieren. Mit unseren Ecken und Kanten. Die Vielfalt macht uns aus. Jeder Mensch muss entscheiden können. Viele Menschen müssen überhaupt erst einmal lernen, entscheiden zu können. Wir wurden zu lange daran gewöhnt, unsere Stimme abzugeben. In eine Urne zu werfen.

Es wurde uns Jahrzehnte lang als normal verkauft, in aller Regelmäßigkeit irgendwelchen Politmarionetten das Recht zuzugestehen, über unser Leben bestimmen zu dürfen. Wir begeben uns freiwillig in Gefangenschaft. Wir liefern uns den verrückten Ideen machthungriger Idioten aus, die sich ohne einen teuren Berater kaum ihre eigenen Schuhe zubinden können. Und wir halten das für normal.

Mir gehen plötzlich die alten Bücher durch den Kopf. Die Menschen damals waren Naturvölker. Sie wurden von Häuptlingen, Königen, Stammesfürsten und Kalifen reagiert. Wie auch immer die sich noch alle nannten. Unsere Probleme werden von diesen Büchern doch überhaupt nicht behandelt. Oder vielleicht doch…? Vergleichen wir doch mal.

Damals bestimmte sehr oft die Erbfolge den nächsten Herrscher. Oder es regierte zuerst der Stärkste und ab dann galt die Erbfolge. Bis wieder ein Stärkerer kam und dem Chef den Schädel einschlug. Hinter dem Herrscher standen einflussreiche Leute, die ihn unterstützten und sich Vorteile davon versprachen. So entwickelte sich der Adel und die Seilschaften. Sehr selten nur kamen die Ältesten zum Zuge, die Weisen. Die waren zwar als Berater gefragt, aber nur ganz selten als Herrscher. Gab es eigentlich jemals den Fall, wo der Geeignetste regierte?

Heute gibt’s Berufspolitiker. Aber die sind genauso ein Haufen für sich, wie damals der Adel. Jeder kennt jeden. Oft sieht man, wie sie sich im Parlament verbal hemmungslos verprügeln. Aber wenn man sie zufällig mal auf einer Feier filmt, sieht man sie lachend beieinander stehen. Sie fördern ihren Nachwuchs. Wer am besten die Parteilinie verfolgt, macht Karriere und rückt nach oben auf. Kapitalstarke Unternehmer spenden für die eine oder andere Partei und kaufen sich dadurch ihre Stimmen in der Regierung. Die Erbfolge oder der Stärkste. Schlimmstenfalls beide gemeinsam. Genau wie früher.

Eigentlich hat sich nicht viel verändert. Ich muss mir bei Gelegenheit einmal überlegen, wie man dieses seit Jahrhunderten immer gleiche Schauspiel unterbinden könnte. Vielleicht etwas Neues erfinden? Oder etwas Altes wiederbeleben? Aus den Fehlern der Vergangenheit lernen?

Während ich so vor mich hin gegrübelt habe, hat sich Majikku neben mich geschlichen und hängt sich bei mir ein. „Große Gedanken, mein Freund?“, fragt sie nach.

„Eigentlich immer wieder das gleiche, meine liebe Freundin. Wie damals im sommerlichen Wintergarten; Politiker, Parteien, Maulhelden – und immer wieder Menschen, die immer wieder vergessen, was ihnen angetan wurde.“

Sie zieht mich sacht mit sich und wir schlendern unter den wolkenlosen blauen Himmel. Die Terrasse steht in der Sonne, ein leichtes Lüftchen weht uns um die Nasen. Irgendwie fühle ich mich hier fast schon Zuhause, in dieser Villa am See.

„Warum ist das hier ein besonderer Ort, Majikku-Chan?“

„Du hast es dir gemerkt. Das ist schön. Es ist nicht das Haus, Claude. Es ist das Land. Der Flecken Erde, wie ihr so schön sagt. Eure Welt hat sich nach meinem Regelwerk geformt. Es ist ein sehr kompliziertes Regelwerk. Die ganze Welt wird durch dieses Regelwerk zusammengehalten. Es bilden sich Feldlinien an Stellen, wo verschiedene Kräfte miteinander wirken. Solche Linien können sich begegnen oder sich kreuzen. Dabei entstehen energetische Berge und Täler. Berge, die sich nicht in Metern ausdrücken lassen. Auch ihr Menschen werdet von diesen Energien auf verschiedenste Weise beeinflusst. Und hier, an diesem Ort, seid ihr mir näher als woanders, Claude. Du erkennst hier keinen spürbaren Unterschied, aber für Julia ist dieser Ort eine sehr ergiebige Quelle.“

Ich lächle still in mich hinein. Ich, der kleine Käfer, der nicht über die Mauern seiner Dimensionen blicken kann. Der aber weiß, dass da etwas erstaunliches auf die Menschen wartet.

„Werden uns solche Orte dabei helfen können, über uns hinauszuwachsen? So groß zu werden, dass wir eine weitere Stufe erklimmen können, Majikku-Chan?“

„Klar, das können diese Orte durchaus. Ihr müsstet allerdings erst mal lernen, diese Orte zu erkennen. Aber darüber hinaus könnt ihr auch eine andere Methode anwenden. Ihr könnt euch zusammenfinden und mit vereinten Kräften selbst solche Berge und Täler entstehen lassen. Ihr könnt solche Orte wie diesen hier selbst erschaffen. Anfangs vielleicht nur zeitweilig, aber mit mehr Übung auch permanent. Eure Vorfahren waren dazu noch in der Lage, was mich seinerzeit sehr hoffen ließ. Sie konnten die Feldlinien lesen und verstärken. So haben sie Heilige Stätten gebaut und mit den nötigen Energien versorgt. Doch die Haltung der modernen Menschen gegenüber der Natur und dem Geistigen hat sich seitdem sehr verändert. Ihr habt zu schnell zu viele Erfolge in Wissenschaft und Technik errungen. Die Physik hat der Metaphysik nicht nur den Rang abgelaufen, sondern sie praktisch verdrängt.“

Ich höre sie tief einatmen und die Luft durch die Lippen wieder auszupressen.

„Ihr habt in eurer Vergangenheit schon oft den falschen Weg eingeschlagen, Claude-Chan. Ihr habt euch verdammt oft wie Idioten verhalten, seid aber zum Glück jedes Mal wieder in die Spur gekommen. Durch euer Wissen in der Physik und euren mangelnden Respekt vor der Natur könnte euer nächster Fehler allerdings auch euer letzter Fehler sein. Und ich sitze dann wieder mit einer Flasche Bier-Cola-Mix an irgendeinem Tisch im Universum und heule wie ein Schlosshund.“

Ich erinnere mich gut an das Gespräch bei uns Zuhause im Arbeitszimmer. Dort hatte mich Claudia besucht und mir von einigen ihrer Kinder erzählt, die sich selbst in die Luft gesprengt haben. Das ging ihr sehr nahe und sie saß an meinem Tisch und weinte. Ein sehr emotionaler Besuch, bei dem wir beide abwechselnd geheult hatten. Aber das war nicht der Besuch mit dem Bier. Sie war ja zweimal da. Ach, ist doch egal; ich verstehe genau, was Majikku mir sagen will. Inzwischen laufen wir über die große Wiese, abseits des Spazierweges. Majikku zieht ihre Schuhe aus, wirft sie achtlos ins Gras und geht barfuß weiter. Soll ich auch…? Nein, will ich eigentlich nicht. Aber nun ist sie noch kleiner als Klein. Also tue ich es ihr gleich, hole sie schnell ein und nehme sie wieder an die Hand.

„Wir verhalten uns wie Idioten. Ja, du hast recht. Und ich befürchte, du wirst diesmal nicht eingreifen und uns davor bewahren, stimmt’s ?“

Schwupps. Die Hand, die ich mir gerade geangelt hatte, ist wieder weg und die junge Frau stellt sich mir entrüstet in den Weg.

„Hallo? Geht’s noch? Ich greife doch im Grunde schon ein, mein Freund. Dass wir zwei uns darüber unterhalten, ist doch bereits ein Eingriff.“

„Ja, sicher, du sagst es mir und ich treffe mich dann morgen Nachmittag mit den acht Milliarden anderen, oder wie? Ich meinte eher so einen richtigen göttlichen Warnschuss von oben.“

Sie lacht leise. „Soll ich euch ein paar Heuschrecken schicken oder den Rhein voll Blut laufen lassen? Ihr versifft eure Flüsse inzwischen viel effektiver als ich das je getan habe. Statt dessen wollt ihr das Klima retten, ihr größenwahnsinnigen Spinner. Das irdische Klima, das in Jahrmillionen denkt, glaubt ihr verbessern zu können. Eure Vortänzer glotzen mal wieder durch einen hellen Türspalt, können kaum etwas erkennen und glauben trotzdem, den Stein der Weisen gefressen zu haben. Und das Schlimme daran ist, dass die Masse Mensch belämmert zuguckt und kein Wort sagt.“

„Scheiße, das tat weh“, sage ich nur.

„Es muss aus euch heraus kommen, Claude-Chan. Aus euch allein. Oder zumindest aus einer stattlichen Anzahl. Nicht durch einen Warnschuss von mir. Ich habe euch die Freiheit gegeben, meinem Weg zu folgen oder es sein zu lassen. Absichtlich. Ihr seid keine Untertanen. Ihr seid keine Diener. Ihr seid keine Sklaven. Nur dann, wenn ihr euch selbst dazu erklärt, seid ihr das. Wenn ihr eure Freiheit aufgebt, um irgend jemandem nachzurennen, ist das eure freie Entscheidung; aber vielleicht ist es auch die letzte freie Entscheidung eures Lebens.“

„Diejenigen, die bereit sind, grundlegende Freiheit aufzugeben, um sich ein wenig vorübergehende Sicherheit zu erkaufen, verdienen weder Freiheit noch Sicherheit“, rezitiere ich einen bekannten Amerikaner.

„Wie der gute Ben diese Worte wirklich gemeint hat, will jeder eurer Experten auf seine Art deuten“, schmunzelt Majikku an meiner Seite. Dann setzt sie sich einfach mitten in die Wiese.

Erinnerungen kommen hoch. Mit Claudia bin ich über Wiesen gelaufen, mit Twocloud habe ich auf einer Wiese gesessen. Und auch mit Yasmin. La Sola liebt Wiesen, Blumen, Bäume, die Natur insgesamt. In jeder Physis, in jeder Manifestation. Die Natur mit La Sola zu erleben ist herrlich. Ich gehe Majikku gegenüber in die Knie, schaue durch ihre Augen in die endlose Weite des Universums und lasse mich einfach nach hinten fallen. Mein Kopf landet aber erstaunlicherweise nicht im Gras, sondern weich auf ihrem Schoß, obwohl sie vor einer Sekunde noch genau vor mir war. Also schaue ich ihr immer noch in die Augen und sehe sie sanft lächeln.

„Es gibt so viele Möglichkeiten, das Zusammenleben einer Gemeinschaft oder Gesellschaft zu organisieren, mein lieber Freund“, flüstert Majikku in den lauen Wind. „Flexibel, menschlich, unbürokratisch, gerecht und gemeinsam. Manchmal hat es mehrere Zivilisationen gedauert, bis die Völker einer Welt diesen Weg entdeckt haben. Manchmal ging alles wie von selbst.“

„Und wie viele Zivilisationen haben die Völker der Erde schon gebraucht, Majikku-Chan?“

Aus dem sanften Lächeln wir ein deutlich breiteres Grinsen. „Du sollst dich auf die Zukunft konzentrieren, Claude. Die Vergangenheit kannst du nicht ändern. Und ganz nebenbei würde sie dich auch noch verwirren. Hör zu: wenn wir den aktuellen Mist beseitigt haben, bleibt immer noch genug Zeit für Nachforschungen zu mystischen Überlieferungen aus Sagen und Legenden.“

„Nordische Riesen, Walhalla, Atlantis, die Antarktis, Erysichthon, Sirius, der Heilige Gral, Osiris, Sun Wukong…“

„…und Scheherazade“, fällt sie mir ins Wort.

„Witzbold“, maule ich zurück.

„Ach, hab dich nicht so, du Miesmuffel. Claude, ich verspreche, dass ich dir sagenhafte Dinge zeigen werde. Sachen, die du kaum für möglich halten wirst, die aber tatsächlich wahr sind. Doch ich werde mich nicht mit dir über die Vergangenheit der Erde unterhalten. Alles, was für euch Menschen wichtig ist, werdet ihr früher oder später selbst herausfinden. In der Zukunft, falls ihr noch eine habt. Und dass ihr noch eine haben werdet, darum werden wir beide uns kümmern. Die Menschheit soll verdammt noch mal mehr sein, als nur eine meiner Erinnerungen.“

„Majikku, ich schreibe eine Geschichte nach der anderen, aber die Menschen bleiben in ihrer kümmerlichen kleinen Welt. Sie kommen nicht aus dieser aufgedrückten Prägung heraus. Sie können nicht alles über Bord werfen, woran sie viele Generationen lang fest geglaubt haben.“

„Stell dein Licht nicht unter den Scheffel. Du schreibst über wichtige Themen und lässt dich auch dann nicht entmutigen, wenn du auf Unwissenheit und Gleichgültigkeit stößt. Du hast es bereits geschafft, viele Menschen in wichtigen Dingen zu sensibilisieren und zum Nachdenken zu bringen.“

„Ja, schon. Einige Leute merken schon, dass sie belogen, verarscht und ausgenutzt werden. Aber die meisten von ihnen sind nun mal keine Revolutionäre. Verstehst du?“

Majikku schlüpft unter meinem Kopf raus, legt sich direkt neben mich hin, greift an meine Schulter und rollt mich in ihre Richtung. Ganz schön kräftig, die Gute. So liegen wir nun Nase an Nase im Gras und ich sehe Feinheiten in ihrem Gesicht, die mir bislang gar nicht aufgefallen waren. Sie ist lebendig. Ein junges japanisches Mädchen mit leicht schräggestellten klaren Augen. So klar wie ein Bergsee, bei dem man den Grund sehen kann. Ganz weit hinten, auf dem feinsandigen Grund dieses schimmernden Gewässers, ist ein wärmendes Licht zu erkennen. Ein beruhigendes Licht, auf das man hinzu schwimmen möchte, weil es absolute Sicherheit verspricht.

„Vorhin, in der Villa, hast du so laut gegrübelt, dass ich unbedingt zu dir kommen wollte. Entschuldige, dass ich gelauscht habe. Ich weiß, dass du ununterbrochen nach Lösungen suchst. Aber Gewalt erzeugt nur Gegengewalt. Und deshalb sollten deine Mitmenschen auch gar nicht revoltieren. Revolution ist nun mal Gewalt. Widerstand kann aber auch gewaltlos funktionieren. Stell dir vor, dass alle Menschen – und sei es nur in einer einzigen Stadt – sich nicht mehr auf das Spiel der Herrschenden einlassen.“

Schwärmerisch blickt sie in den blauen Himmel und atmet bewusst ein. Dann fragt sie mich: „Kannst du dir das Vorstellen? Dass alle gemeinsam nichts mehr tun? Dass sie sich einfach Zuhause hinsetzen und abwarten? Alle gemeinsam? Eine kleine Stadt von vielleicht 25.000 Einwohnern nimmt kein bisschen mehr am offiziellen Leben teil? Sie gehen nicht mehr arbeiten oder einkaufen und sie geben kein Geld mehr aus. Keine Kartenzahlung, keine Überweisung, kein Dauerauftrag. Wenn man sie fragt, was das soll, antwortet jeder von ihnen, dass sie diese Art der Verwaltung nicht mehr wollen. Dass sie sich erst wieder rühren werden, wenn die bisherigen Entscheider aus dem Rathaus verschwunden sind. Dass sie ihre Stadt zukünftig selbst verwalten werden. Dass sie keine ‚Berufsentscheider‘ oder politische Parteien mehr dulden werden. Dass Profis nur noch in den Fachbereichen arbeiten werden. Und zwar echte Profis.“

„Ganz ehrlich? Nein. Das kann ich mir nicht vorstellen.“

Der Glanz in ihren Augen lässt merklich nach. Der Grund des klaren Bergsees verschwimmt ein wenig. „Mensch, bist du wieder pessimistisch. Denk doch mal positiv, Claude-Chan“, schmollt Majikku.

„Sei doch nicht gleich eingeschnappt, mein Gott“, kann ich mir nicht verkneifen. „Nein, im Ernst“, antworte ich wahrheitsgemäß. „Ich kann mir auch mit größter Mühe nicht vorstellen, dass meine Freunde, Arbeitskollegen und Nachbarn auf den Gedanken kommen könnten, sich gegen das bestehende System aufzulehnen. Dafür geht es ihnen einfach zu gut. Sie meckern zwar regelmäßig, okay, aber sie meckern halt nur. Sie können sich nichts anderes vorstellen, als treu und brav und regelmäßig immer wieder irgendwelche neuen Parteimitglieder in den Stadtrat oder in irgendein Parlament zu wählen.“

„Um anschließend wieder zu meckern. Ich weiß, Claude. Aber ich weiß leider noch mehr. Und darüber müssen wir reden. Jetzt.“

Sie setzt sich unvermittelt im Gras auf und schaut mich ernst an. Na gut, dann ist es wohl dringend. Ich richte mich ebenfalls langsam auf. Die Asiatin schaut mich an und ich halte ihrem Blick stand. In ihrem Augenhintergrund sehe ich hektische Energien toben. Es flackert unruhig dort drinnen und ich vermisse die endlose Tiefe, die sonst dort wohnt.

„Es wird eine unruhige Zeit auf euch zukommen, lieber Freund. Sehr bald schon wird es beginnen. Du brauchst aber keine Angst zu haben, niemand ist akut in Gefahr und das wird sich auch die nächsten Jahre nicht ändern. Doch dieser Tage beginnt die Umsetzung eines gefährlichen Plans. Es ist nicht mein Plan. Obwohl ich vorbestimmt hatte, dass ihr Menschen in der Lage sein werdet, einen solchen Plan zu schmieden. Denn ihr seid frei in euren Entscheidungen. Ihr müsst mir nicht folgen, ich zwinge euch zu nichts, doch es würde mir weh tun, wenn ihr meinen Weg verlassen würdet.“

„Wovon redest du? Was ist das für ein Plan, Majikku-Chan?“

„Es ist ein alter Traum einiger alter Männer und ihrer Erben. Sie machen viel weniger als 1 Prozent von euch aus. Und doch wollen sie die mehr als 99 Prozent von euch beherrschen. Sie sind davon überzeugt, dass nur sie edel genug sind, um über eure gesamte Art bestimmen zu dürfen. Sie sehen euch nicht als gleichwertig an. Sie fühlen sich erhaben. Sie haben schon vor sehr vielen Jahren begonnen, sich auf die Machtergreifung vorzubereiten.“

„Wer sollte allein so mächtig sein? Und wie, in aller Welt, sollten sie alle Menschen unterjochen können?“

„Sie kennen euch. Sie haben euer Verhalten studiert. Sie haben das Geld und die Zinsen erfunden, um euch damit zu ködern. Und es hat funktioniert. Ihr alle rennt dem Geld hinterher. Doch das Geld wird immer nur in ihre Richtung fließen, dafür sorgt schon ihr Finanzsystem. Mit diesem Geld haben sie sich großen Einfluss erkauft. Ihnen gehören die Banken. Ihnen gehören die Konzerne. Ihnen gehören die Medien. Daher wissen sie sehr genau, wie man die Masse der 99 Prozent manipuliert. Sie beschäftigen euch, damit ihr keine Zeit zum Nachdenken habt. Sie spielen mit eurer Angst. Angst vor Krankheit. Angst vor Gewalt. Angst vor Krieg. Angst vor der Umwelt. Angst vor dem Klima. Angst vor der Geldnot, vor der Armut, vor dem Ruin. Und letztlich: Angst vor dem Tod.“

Sie nimmt meine beiden Hände ihn ihre und drückt sie leicht. Es ist eine Geste, die ich schon häufiger bei La Sola erlebt habe. Dann spricht sie eindringlich weiter.

„Das abscheulichste daran ist jedoch, dass sie selbst diese Gefahren aufgebaut haben. Sie machen euch krank durch ungesunde Luft, ungesundes Wasser und ungesunde Nahrung. Sie sorgen dafür, dass Gewalt entsteht. Sie entfesseln Staatsstreiche, Kriege und Bürgerkriege. Sie verseuchen die Umwelt. Sie manipulieren das Klima. Sie beeinflussen die Politiker mit Geschenken oder hochbezahlten Positionen. Mit deren Hilfe vernichten sie eure Arbeitsplätze und erhöhen eure Steuern und Abgaben. Sie erzeugen also alle diese Probleme, um dann als Retter aufzutreten und euch die Lösung anzubieten. Ihr sollt im Gegenzug, um ihren Schutz zu erlangen, eure Freiheit und Selbstbestimmung opfern. Sie handeln niemals selbst. Sie üben nur Einfluss aus. So geschieht es seit Hunderten von Jahren und ihr bemerkt es nicht. Ihr könnt euch nicht vorstellen, dass jemand einen so großen und teuflischen Plan ausheckt. Den Teufel gibt es nicht, schon gar nicht dreimal, hatte ich dir damals gesagt. Erinnerst du dich?“

„Als wenn es gestern gewesen wäre.“

„Das war nicht die ganze Wahrheit. Denn…, streng genommen gibt es ihn doch. Aber er lebt in euch.“

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