06c Endlich ein Anfang

Wenn du mittendrin anfängst, verstehst du nicht alles: Beginne lieber am Anfang.

Die Genesis. Ich habe einen Anfang für ‚das Wort‘. Wieso bin ich Trottel nicht schon viel früher darauf gekommen? Viele Chronisten fangen mit dem Anfang an. Wieso nicht auch ich? Dann habe ich doch schon mal was. Die Menschen werden das auch so sehen. Okay, ich erzähle nichts Neues, aber im Vergleich zu den alten Büchern ist es doch schon eine ganz andere Hausnummer. Ich beginne nicht mit Himmel und Erde, sondern mit dem Urknall. Natürlich weiß ich nicht, ob der Begriff richtig gewählt ist, aber Claudia hat ja bestätigt, dass auch die alten Bücher damals dem Zeitgeist entsprachen. Gut, sie hat ein bisschen herumgedruckst. Sie nannte es zunächst ‚die Schwingung des Universums anstoßen‘ und erst danach ‚euren Urknall‘. Demnach sollte ich das Anstoßen der Schwingung als Urknall verstehen. Ob das nun richtig ist oder nicht, ob ich die Tat eines Gottwesens überhaupt verstehen und benennen kann, will ich nicht beurteilen.

Aber zuvor, und das hatte ich mir ohnehin schon vorgemerkt, werde ich in ‚das Wort‘ meinen persönlichen Weg in diese Gotteswelt schildern. Wie ich dort hineingeraten bin. Ausgerechnet ich, wo ich doch mit Religion und der Kirche nie wirklich etwas anzufangen wusste. Eigentlich ist das auch heute noch so. Okay, ich glaubte schon immer, dass da ‚was‘ ist. Irgend etwas musste da sein. Niemals nahm ich an, dass wir Menschen, unsere Welt und das unendliche Universum drum herum, aus purem Zufall entstanden sein könnte. Demnach war ich also durchaus gläubig. Ich wusste nur nie, woran ich eigentlich glaubte.

Bestimmt nicht an einen gütigen alten Mann mit Bart, der hoch oben im Himmel wohnt. Bestimmt auch nicht an einen Gott, der Kriege und Unterwerfung fordert, weil er uns sonst von dieser Erde fegen würde. Solche Gottesdarstellungen hatten auf mich immer schwach gewirkt. Wieso sollte ein mächtiger Gott mir jeden Zweifel verbieten? Hat er Angst davor? Die alten Bücher sind voll von Geboten und Verboten, die nach dem Wissensstand der heutigen Zeit nicht mehr den geringsten Sinn ergeben. Ich kann nachvollziehen, dass das einmal anders war, aber der fundamentale Glaube an eine antike Weltsicht kann einfach nicht richtig für die Weiterentwicklung unserer Spezies sein.

Und dann kam sie und hat mich aus meinem Wohnzimmer zu sich geholt. La Sola in der Gestalt von Claudia. Ja, ich habe jetzt einen Namen für die kosmische Macht, die mich eingeladen hat, ihr zu folgen. Ihr zu helfen, ihre Worte an die Menschen von heute zu richten. Ich hatte sie für mich allein schon lange als ‚die Einzige‘ bezeichnet. Mir fehlte nur ein eingängiger Name, den man überall aussprechen kann. Ich wollte keine Verallgemeinerung wie Gott, Allmächtiger, großer Geist oder ähnliches. Ich wollte kein Geschlecht vorgeben. Gott ist kein Mann, Gott ist keine Frau, Gott ist keine Vermischung beider. Gott ist mehr. Gott ist alles.

Gott ist jeder Strauch, jeder Grashalm, jeder Baum, jede Mikrobe, jeder Wurm, jedes Insekt, jedes Reptil, jeder Vogel, jedes Säugetier und was es noch so gibt auf dieser Welt. Ebenso ist Gott der Wind, der Regen, die gleißende Sonne und der Boden unter unseren Füßen. Und Gott ist in jedem Menschen, egal welche Farbe er hat und welche Sprache er spricht. Gott ist alles und jedes. Gott ist einzig. Deshalb ist Gott der Einzige, die Einzige, das Einzige. In der Sprache Esperanto heißt das ‚La Sola‘.

Warum La Sola diesmal einem Menschen in Europa die Gunst gewährt, ihr Wort zu verbreiten, weiß ich nicht. Ob ich als Charakter ausgewählt wurde, weiß ich nicht. Ob es an meinem ‚großen Splitter‘ lag, weiß ich nicht. Ich werde auch nicht fragen. Ich bin nicht besser und nicht schlechter als jeder andere Mensch. Ich bin ein Mann und ich liebe eine Frau. Ich bin der totale Durchschnittstyp, von dem dir wahrscheinlich schon Tausende begegnet sind, wenn du in Europa lebst. Ansonsten kannst du dir sicher trotzdem vorstellen, wie so ein Durchschnittseuropäer aussehen könnte. Das alles ist mir gleich. Ich habe eine Mission erhalten und ich habe zugesagt, ihr nachzukommen. Das ist ein Versprechen.

Ich weiß nicht, ob ich sie erfüllen kann, aber ich werde mein Möglichstes dafür tun. Auch das ist ein Versprechen.

Du darfst mich sehr gerne auf meinem Weg begleiten, auch wenn wir uns wahrscheinlich nie begegnen werden. Denn in meiner Mission bin ich Claude Ribal Massner und als dieser nur der unbedeutende und unbekannte Chronist. Du wirst mich nicht erkennen, selbst wenn ich am Marktstand neben dir stehe. Ich bin unbedeutend. Nur La Sola steht eine Bedeutung zu.

Wer weiß? Vielleicht findest du eine Möglichkeit, auf deine ganz eigene Art und Weise bei der Verbreitung des Wortes mitzuwirken. Wir stehen erst am Anfang.

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Die Einzige wird dich leiten   –   La sola gvidos vin
#lasolagvidosvin   –   #lasolaicu

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