Wenn du mittendrin anfängst, verstehst du nicht alles: Beginne lieber am Anfang.
Ich sitze im Auto und fahre, nein, eigentlich stehe ich in Richtung Norden und nichts läuft. Autos über Autos und überall nur rote Bremsleuchten vor mir. Das macht keinen Spaß. Zum Glück habe ich keinen Termin, den ich hätte einhalten müssen, aber ich würde mich trotzdem freuen, etwas schneller zu Hause sein zu können. Nichts rührt sich vor mir und ich schließe die Augen, damit dieses rote, blendende Licht mich nicht so nervt. Viel besser, obwohl es noch immer durch meine Lider leuchtet. Nach einer gefühlten Stunde, ich weiß, ich neige zu Übertreibungen, erlischt das rote Bremslicht endlich.
Super, es geht weiter, denke ich und öffne die Augen wieder. Der Stau ist weg. Aber das alleine ist es nicht, was mich dann doch zutiefst irritiert. Nicht nur der Stau ist verschwunden, sondern alle Autos sind weg! Wie geht das denn? Bin ich eingeschlafen und habe alles verpasst? Quatsch, schelte ich mich selbst. Irgendeiner der Fahrer hinter mir hätte mit absoluter Sicherheit gehupt, wenn so ein Idiot einfach stehenbleibt.
Aber wo bin ich hier? Es ist finster vor der Windschutzscheibe. Meine Scheinwerfer leuchten ins Nichts. Ich sehe nicht einmal den Asphalt der Fahrbahn vor mir, greife zum Schlüssel und mache den Motor aus. Es wird schlagartig still und das Fahrlicht erlischt ebenfalls automatisch. Meine Augen gewöhnen sich langsam an die Dunkelheit und von irgendwo her nehme ich einen schwachen Lichtschein wahr. Ein flackerndes Licht in einem warmen Ton. Ein Feuer, denke ich und erschrecke darüber. Brennt mein Auto? Ich springe aus dem Wagen und lande auf Sand. Sand auf der Autobahn? Nein, hier gibt es definitiv keine Autobahn, sondern nur Sand. Sand, soweit das Auge reicht. Aber genau hinter meinem Fahrzeug brennt in einigem Abstand ein Lagerfeuer. In mir keimt schlagartig ein Verdacht auf und ich gehe langsam in Richtung des Feuers. Sogar die Luft riecht sandig, aber nicht unangenehm und vom Feuer her weht eine würzige Note mit dem leichten Wind zu mir herüber. Nun bin ich auf ungefähr sechs Meter an das Feuer herangekommen und kann schon mehr erkennen.
Dort sitzt jemand, aber es ist nicht Claudia oder Cassandra, sondern ein Mann. Ein alter Mann mit weißgrauem, langem, aber sehr vollem Haar und einem brustlangen Vollbart. Er hat so etwas von dem ‚guten Zauberer‘ in einem typischen Hollywood-Streifen, nur hat er keine spitze Mütze auf. Ich muss Schmunzeln. Über dem Feuer steht eine Art Gestell mit einem angehängten dampfenden Topf.
Der Mann erhebt sich und kommt mir entgegen. Er trägt ein langes und schlichtes helles Gewand, welches von den Schultern bis fast zu den Füßen reicht und kaum Rückschlüsse auf seine Figur zulässt, aber er ist sehr groß. Er überragt mich fast um Haupteslänge, misst demnach fast zwei Meter. „Hallo Claude“, sagt er mit tiefer und angenehmer Stimme, „es ist schön, dich wiederzusehen.“
Er kommt heran, breitet die Arme aus und umarmt mich herzlich. Ich erwidere die Umarmung und spüre, dass ich ihn nicht zum ersten Mal berühre. Er legt seine Hände auf meine Schultern und wir stehen Angesicht zu Angesicht, auch wenn ich dazu den Kopf etwas in den Nacken legen muss, und in seinen Augen sehe ich die endlose Weisheit, die ich bereits bei unseren bisherigen Zusammenkünften kennen lernen durfte. Ich weiß sofort, wer vor mir steht. Ich bin glücklich, dass ich ihn, sie, es wiedersehe. Auch ich lege meine Hände auf seine Schultern. „Soll ich dich jetzt etwa Claudia nennen?“, frage ich ihn scherzhaft, worauf er in schallendes Gelächter ausbricht.
„Wenn dir das nicht zu bescheuert vorkommt, mach es ruhig“, antwortet er, „Aber ich hatte dir ja von vornherein gesagt, dass du über den Namen nochmal nachdenken wirst.“
„Ja, das hast du, ich weiß“, entgegne ich, „Aber im Moment möchte ich dich noch als Person wahrnehmen, wenn wir miteinander reden. Damit kommt mein Verstand besser zurecht. Mir ist übrigens gerade der Name ‚Isaak Newton‘ in den Kopf gekommen, einfach so, warst du das?“
Er hebt beide Handflächen vor sich und sagt lächelnd: „Nein. Ich bin unschuldig. Da mische ich mich nicht ein.“
„Na gut, dann nenne ich dich Isaak. Einverstanden, mein Freund?“
„Claude, ich nehme jeden ernstgemeinten Namen an, den du mir gibst. Jeder Mensch darf mich nennen, wie er will. Wenn er mich meint, so erkenne ich es.“
„Danke, Isaak. Was hast du da Schönes auf dem Feuer?“
„Ich habe einen ganz leckeren Tee aus Früchten und Kräutern gekocht“, antwortet er, „Hoffentlich schmeckt er dir. Komm, lass uns ans Feuer gehen und Platz nehmen“, lädt er mich ein und ich stimme gerne zu. Wir setzen uns auf ein paar Steine, die am Feuer liegen und der wärmende Lichtschein tut sehr gut, denn es ist doch etwas frisch hier in der Wüste, sofern es eine Wüste ist, was ich um mich herum sehe.
„Sag mal“, frage ich ihn, „sind wir hier in der Wüste?“
„Im Grunde ja, auch wenn es keine Wüste ist, die du kennst“, bestätigt er.
„Aha“, setze ich fort, „Ist sie so unbedeutend, dass man sie nicht kennt?“
„Nein, das nicht. Aber sie befindet sich nicht gerade auf der Erde, wie du sie kennst.“
Oha, das ist neu. Selbst für mich. Und ich bin schon einiges gewohnt. Nein, ich werde jetzt nicht darauf eingehen, auch wenn’s schwerfällt. „Hast du heute ein bestimmtes Thema, über das du mit mir reden möchtest, Isaak, oder darf ich eins vorschlagen?“
Er wirkt ein wenig erstaunt, antwortet aber: „Nein, habe ich nicht. Ich lege das sowieso fast nie fest, sondern entscheide es aus dem Gefühl heraus.“
„Aus dem Bauch heraus…“, sinniere ich.
„Genau. Außer bei den ersten Treffen. Ich musste dich ja erst einmal schonend vorbereiten. Aber okay, ich hatte dir ja sowieso angeboten, mich alles zu fragen, was dich beschäftigt. Sag einfach, was dich interessiert. Ich bin ganz Ohr.“
Ich gebe mir einen innerlichen Ruck und frage platt drauf los: „Was hat es mit den Kleiderordnungen auf sich?“
Er grinst ein wenig in sich hinein und fragt zurück: „Kleiderordnungen? Das interessiert dich gerade? Du meinst jetzt sicher religiöse Kleidungsvorschriften, oder?“
„Ja genau“, sage ich und ignoriere sein amüsiertes Grinsen standhaft, „Manche Gläubige setzen ihre Kopfbedeckung zum Gebet ab, andere setzen sie hierzu auf. Manche tragen grundsätzlich eine bestimmte Kopfbedeckung, wieder andere tragen ein bestimmtes Gewand und es gibt auch, speziell für Frauen, Kleidungsstücke, die das Gesicht oder gar den ganzen Körper bedecken. Wozu dient das alles?“
„Hmm“, macht er, denkt ein wenig nach und krault sich dabei seinen Bart. Schon wieder kommt mir der Gedanke an den Zauberer in den Sinn und ich muss mich doch etwas um eine ernsthafte Mimik bemühen. „Das zu beantworten“, beginnt er dann, „ist gar nicht so einfach. Das heißt: Eigentlich schon, aber ich werde etwas ausholen müssen. Zunächst einmal eine kleine Anmerkung: Ich finde es sehr interessant, welche von meinen Regeln oder Empfehlungen, nenne es wie du willst, die Jahrtausende überdauert haben und welche nicht.“ Ich sage nichts und warte auf das, was er mir hierzu noch verraten möchte.
„Und in welche, zum Teil seltsamen Zusammenhänge sie gebracht wurden“, fährt er fort, „ist auch, sagen wir mal, recht eigenartig. Aber zurück zu deiner Frage: Schon immer habe ich den Menschen Ratschläge gegeben und Empfehlungen ausgesprochen. Da waren auch etliche zur Kleidung dabei. Der Körper muss vor zu viel Sonne geschützt werden, wie auch vor großer Kälte. Kälte spürt der Mensch sofort und schützt sich instinktiv davor. Aber zu viel Sonne wirkt sich schleichend aus. Mit einem Sonnenstich oder mit Hautverbrennungen ist nicht zu spaßen. Natürlich ist eine Kopfbedeckung unerlässlich und die Kleidung konnte auch mit den einfachen Mitteln, die vor langer Zeit schon verfügbar waren, deutlich optimiert werden. Aber meine Kleidungsempfehlungen waren nicht überall auf der Welt gleich und sie unterschieden sich natürlich je nach Genotyp oder Phänotyp der dort lebenden Menschen.“
Das war wirklich eine lange Ausführung und dabei hat er noch nicht einmal den Kern meiner Frage angekratzt. „Was für ein Typ…?“, frage ich etwas verwirrt.
„Je nachdem welche Rassenausprägungen die dort lebenden Menschen zeigten, waren sie unterschiedlich vor zu viel Sonne gefährdet“, erklärt er, „Dunkle Haut oder helle Haut, die Pigmentierung, oder die Haarfarbe. Das alles spielt eine große Rolle.“
„Bei uns wird man leicht als Rassist beschimpft, wenn man über unterschiedliche Menschenrassen redet“, fällt mir spontan dazu ein.
„Ich weiß. Und es ist auch durchaus… nun ja… amüsant, was da bei euch los ist, aber ich hoffe, dieses… hirnlose herumeiern um ausgesuchte Begriffe ist nur eine vorübergehende Erscheinung“, sagt er, steht bei seinen Worten vom Stein auf und geht einige Schritte auf und ab. „Wenn euch der Begriff ‚Rasse‘ nicht gefällt, könnt ihr ja auch ‚Geoklimatische Ausprägung innerhalb einer Spezies‘ sagen, aber mir wäre das zu umständlich. Außerdem, wenn jemand einen anderen als Rassist beschimpft, gesteht er ja ein, dass es Rassen gibt, denn sonst gäbe es ja auch keine Rassisten, oder? Fakt ist: Wer abstreitet, dass es schwarze Menschen und weiße Menschen und große Augen und mandelförmige Augen und schwarze, braune und rote und blonde Haare gibt und dass das alles in den Genen liegt und demzufolge vererbt wird, der ist ein Idiot. Punkt“, führt er fort, während er stetig etwas lauter geworden ist.
„Also, wenn schwarze Eltern ein schwarzes Kind bekommen ist das in der schwarzen Rasse ein genetisches Merkmal?“
„Korrekt. Weil diese Gruppen seit vielen tausenden von Jahren dort leben, wo schwarze Haut von Vorteil ist, hat sich der Körper über viele Generationen der Situation angepasst und das gute Merkmal wird an die nächsten Generationen vererbt. Das ist natürlich. Bei Pferden gibt es doch auch verschiedene Rassen. Deshalb ist doch das eine Pferd nicht besser als das andere. Es hat halt nur andere Eigenschaften. Die Rassen haben sich an ihre Umwelt und an ihren Lebensraum und sogar an ihre Aufgabe angepasst und das hat nichts mit besser oder schlechter zu tun.“
„Aber sind die Rassen bei den Nutztieren nicht eher durch menschlichen Einfluss entstanden? Durch Zucht und Selektion?“, lege ich meine Gedanken offen.
„Ja, sicherlich. Aber die Menschen nutzten dazu auch nur die in meinem Bauplan vorhandenen Möglichkeiten, welche die Natur selbst anwendet. Du findest ja bei Wildtieren, die in verschiedenen Regionen der Erde vorkommen, auch unterschiedliche Ausprägungen, obwohl die Tiere einen gemeinsamen Ursprung haben. Nur haben die Menschen nie die nötige Geduld aufgebracht, um so effektiv wie die Natur zu sein. Sie haben nur auf das Offensichtliche hin selektiert und dadurch leider oft auch schlechte Merkmale wie Erbkrankheiten durchgewunken, welche die Natur ausgesiebt hätte“, lautet seine dann doch etwas harte Antwort.
„Bestehen diese Anpassungen immer nur aus äußerlichen Merkmalen?“, frage ich nach.
„Mitnichten. Denke an die temperamentvollen Rassen oder die eher ruhigen und kühlen Vertreter. Ein lebendiges Wesen sollte schon mit seiner Umwelt im Einklang stehen. Aber bei Adaptionen an die Umwelt sind es zumeist schon äußerliche Merkmale. Im Gegensatz zu Mutationen, aber die haben auch nur wenig mit der Rasse zu tun.“ Damit hat er meine nächste Frage natürlich, wie fast immer bei seinen Ausführungen, schon wieder vorgegeben: „Mutationen?“
„Jepp. Denke hier zum Beispiel an die Laktoseintoleranz, also an die Unverträglichkeit von Kuhmilch. Das ist keine Erkrankung, wie manche Leute glauben, sondern der Normalfall. Kein Mensch hat früher Kuhmilch vertragen. Und auch heute noch trifft das auf große Teile der Weltbevölkerung zu. Kälber trinken Kuhmilch, Kinder trinken Menschenmilch. Das einige Menschen diese fremde Milch vertragen, hat sich einfach so ergeben. Die Natur macht das mit dem Leben. Sie probiert einfach etwas aus. Wenn es gut ist, wird es weitervererbt, wenn es schlecht ist, stirbt diese Linie wieder aus. Ihr nennt das heutzutage ‚try and error‘. Im Falle der Kuhmilch hatten die von der Veränderung betroffenen Menschen plötzlich ein gutes Nahrungsmittel mehr. Sie waren besser vor Hungersnot geschützt und waren kräftiger. Wenn ‚normale‘ Menschen bereits verhungerten, überlebten sie. Die Mutation ist der Motor der Evolution. So seid ihr Menschen entstanden, Claude. Ich habe zwar den großen Plan vorgegeben und das Mögliche festgelegt, aber erst durch viele Versuche, mal erfolgreich, mal vergeblich, seid ihr immer einen kleinen Schritt vorangekommen. Das Schlechte dagegen, fiel aus dem Rennen. Aber wir kommen vom Thema ab.“
„Ist aber auch ein spannendes Thema“, werfe ich ein.
„Oh ja, das ist es wirklich“, erwidert er und setzt sich wieder auf seinen Sitzstein, während ich zwei Becher mit dem Tee fülle und ihm einen davon überreiche. „Danke, Claude.“ Er nippt an seinem Becher. „Weißt du, euer Körper ist ein Wunderwerk der Effizienz. Als Neugeborene habt ihr die Anlagen für unglaubliche Fähigkeiten. Aber während der ersten Monate oder Jahre werden viele dieser Möglichkeiten schon wieder deaktiviert, weil sie nicht genutzt werden. Der Körper und der Geist passen sich den Anforderungen an, die an ihn gestellt werden.“
„Du meinst, wir lassen Fähigkeiten verkümmern?“, frage ich voller Überraschung.
„Absolut. Apropos absolut: weißt du eigentlich, dass viele Chinesen das absolute Gehör haben?“, stellt er schon die nächste Frage.
„Nein, nicht wirklich. Ist das auch so eine Rasseangelegenheit?“, gebe ich den Ball zurück.
„Eben nicht! Chinesische Sprachen sind sehr melodisch. Sehr oft entscheidet nur die Tonhöhe über den Sinn einer Aussage. Deshalb werden chinesische Kinder bereits beim Erlernen ihrer Muttersprache auf Töne eingeschworen. Die Fähigkeit wird geschult und bleibt. Das hat also nichts mit der Rasse, sondern mit der Kultur zu tun. In der ersten Lebenszeit werden Kinder durch ihr Umfeld geprägt. Und zwar sehr oft für ihr ganzes Leben. Das kannst du später nicht mehr ändern – weder so noch so.“
„Und das gilt wahrscheinlich nicht nur für musikalische Wahrnehmung, oder?“
„Nein Claude. Das gilt für ganz viele Prägungen. Nun aber noch ein Wort zu deinen Rassisten: Abzustreiten, dass es rassetypische Merkmale auch bei euch Menschen gibt, ist natürlich dumm, das sagte ich ja schon. Und wenn es dir besser gefällt, kannst du statt Rasse ja auch Subspezies sagen, denn das trifft es genauso gut. Aber eine bestimmte Rasse als höher oder als minderer als eine andere zu bewerten, das ist rassistisch. Wer bestimmte Menschen als höherstehend bewertet, ganz egal ob über die Rasse, die Kultur, oder sonst eine Eigenart, der wird bei der Heimkehr einiges verarbeiten müssen und die, die ihm folgen, wird ähnliches erwarten. Für mich sind alle Menschen gleich wertvoll, auch und gerade, weil sie unterschiedlich sind“, schließt er und trinkt seinen Becher in einem Zug leer.
Da war das Wort ‚Heimkehr‘ wieder, fiel mir auf. Aber ich bin geduldig und warte, bis er von selbst darüber spricht.
„Jetzt aber endlich zu deiner Frage zu ‚meinen‘ Kleidungsvorschriften“, sagt er und malt mit den Fingern Gänsefüßchen in die Luft. „Also: Damals wie heute ging und geht es mir nur um den Schutz der Menschen. Darum ging es auch bei der Kleidung. Sie sollte die Menschen schützen. Im Laufe der paar hunderttausend Jahre eurer Entwicklung seid ihr oft schneller über den Globus gewandert, als die Natur euch anpassen konnte. Da war mehr Schutz nötig. Was aus diesem Schutz bis heute geworden ist, beziehungsweise gemacht worden ist, ist schon sehr speziell.“ Er schüttelt amüsiert den Kopf und greift zu seinem Becher. „Ich respektiere natürlich eure Gepflogenheiten. Wenn ihr zum Gebet eure Kopfbedeckung abnehmt oder euch eine aufsetzt, um mir auf diese Weise Respekt zu zollen, akzeptiere ich das und begrüße es auch. Ein bisschen stolz auf meine Arbeit bin ich ja schließlich auch. Aber genau wie du kenne ich natürlich viele zum Teil sehr unverständliche Bekleidungsregeln, die ich angeblich erlassen haben soll. Nur ist fast alles davon gar nicht auf meinem Mist gewachsen.“
Während ich diese Aussage staunend zur Kenntnis nehme, nimmt er noch einen guten Schluck Tee.
„Das“, setzt er dann weiter fort, wobei sich ein Lächeln auf seine Miene legt, „haben sehr viele der damaligen Herrscher nur behauptet, weil sie bestimmte Angelegenheiten in ihrem Sinne Regeln wollten. Es ist immer sehr einfach, einen Gottesbefehl vorzuschieben, wenn man dem Volk eine neue Regel aufdrücken will. Das spart viele Diskussionen und kratzt nicht an der Beliebtheit“, sagt er und lacht dabei leise. Nach einer kleinen Pause fährt er fort: „Ich sage dir nur eines: Die Natur hat schönes geschaffen. Jeder Mensch ist auf seine Art schön. Das gilt für jeden Mann und für jede Frau. Ich liebe es, die Geschöpfe der Natur anzuschauen. Niemand muss sich verstecken. Niemand muss sich einen Sack über den Kopf ziehen. Wer es mag, soll es tun und soll glücklich damit werden, aber ich habe dies nie gefordert. Alle Kleidungsstücke, die die Menschen tragen, sollen sie freiwillig tragen. Manchmal verlangt ein bestimmter Anlass vielleicht eine bestimmte Kleidung. Das kann aus Sicherheitsgründen nötig sein, um den Körper vor Schaden zu bewahren, es kann einen traditionellen Hintergrund haben, oder einfach nur Mode sein. Aber all das legen die Menschen untereinander selbst fest. Eure Traditionen sind eure Sache. Ich verbiete sie nicht, aber niemand soll behaupten, ich hätte es so gewollt.“
Ich bin sehr verwundert über diese klare Aussage. „Du hast nie besondere Kleidung für bestimmte Leute gefordert?“, frage ich daher noch einmal nach.
„Nein. Warum sollte ich. Nun aber zum Kern. Ich weiß natürlich, dass du auf die Frauenverschleierung anspielst, die du in deinem Umfeld jetzt häufiger antriffst, stimmt’s?“
„Woher…? Ach, egal. Du hast recht. Wozu dient das alles?“, gebe ich den eigentlichen Grund meiner Frage unumwunden zu.
„Auch diese habe ich nie gefordert. Aus meiner Sicht macht das auch gar keinen Sinn. Sag mir einen triftigen Grund, warum ein…“, er macht eine weit reichende Geste in Richtung Himmel, „…ach so mächtiger Gott auf so einen Kleinkram Wert legen sollte. Denn für mich ist, wie du ja weißt, jeder Mensch gleich wertvoll. Es ist mir vollkommen egal, welche Kleidung er trägt. Auf die Taten kommt es an und nicht auf die Klamotten. Jeder Mensch ist für mich gleich. Wirklich jeder. Vor allem mache ich auch keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen. Es gibt keine ‚wertvolleren‘ oder ‚wichtigeren‘ Menschen. Claude, das ist sehr wichtig für deine Mission.“
„Den ganzen Kram haben sich also nur irgendwelche Menschen ausgedacht?“, frage ich zur Sicherheit nochmal nach.
Er schaut mir tief in die Augen und ich sehe, dass jede Silbe die reine Wahrheit ist. „Diese Regeln stammen definitiv nicht von mir. Es ist wohl so, dass meine Anregungen einfach in dieser Form verstanden wurden, weil die Menschen sie nicht anders verstehen konnten oder wollten. Entsprechend des Weltbildes dieser Menschen wurden meine Empfehlungen dann auch weitergegeben. Die Geschichten wurden, wie so oft, von Lagerfeuer zu Lagerfeuer verändert, bis sie dem allgemeinen Verständnis entsprachen“, erläutert er, während er selbst ins Feuer blickt und mit seinem leeren Becher spielt. „Wie immer spielte der Zeitgeist eine große Rolle. Der Hintergrund findet sich in stark patriarchalen Kulturen. Ausschließlich die Männer hatten zu bestimmen. Sie hatten das Sagen, das Geld und den Besitz. Auch die Frauen waren Teil des Besitzes. Sie wurden bewundert und oft auch umschmeichelt, aber sie waren ein Besitz. So wie die Wertgegenstände verpackt und versteckt wurden, wurden auch die Frauen verpackt und verdeckt. Es sollten keine Begierden bei Fremden geweckt werden, denn es herrschten raue Sitten und die Patriarchen mussten auf ihre Frauen und Töchter gut aufpassen. Denn gute Frauen gebären gute Söhne. Das wussten natürlich auch aufmerksame Frauenräuber. Diese Zeiten sollten allerdings inzwischen vorbei sein.“
Ich fülle seinen Becher nochmals nach und für meinen eigenen war auch noch genug im Kessel. ‚Wie viel passt in dieses Ding eigentlich rein?‘ frage ich mich noch, aber schon führt er weiter aus: „Es gab damals vielerorts auch die Sitte, dass edle Frauen teure Kopftücher trugen, um sich von barhäuptigen Sklavinnen abzusetzen. Sie wollten so ihren hohen Stand dokumentieren. Aber auch das sollte in zivilisierten Kulturen heute keine Rolle mehr spielen.“
„Ich bin mir nicht sicher, ob diese Zeiten vorbei sind“, erwidere ich und füge hinzu: „Ich sehe immer häufiger Frauen, die verschleiert sind oder Kopftuch tragen.“
„Nun, da hast du sicherlich recht, aber das ist tatsächlich nur der aktuellen Zuwanderung in deinem Land geschuldet. Woanders gibt es das schon deutlich länger“, antwortet er und ich bemerke, dass er das alles mit einer gutmütigen Gelassenheit sieht. „Aber“, fügt er noch hinzu, „ich sage es mal so – und achte auf meine Worte: Freie Menschen, und so auch freie Frauen, dürfen sich kleiden, wie sie wollen. Wenn sie sich aus modischen, traditionellen oder ästhetischen Gründen mehr bedecken möchten als andere, so sollen sie es einfach tun. Was sollte ich dagegen haben? Niemand hat etwas dagegen zu haben und niemand hat es ihnen zu verwehren, sofern keine Sachzwänge dagegen sprechen.“
Dann jedoch verdunkeln sich seine Augen und sein Gesichtsausdruck wird strenger. „Wenn sie es allerdings tun, um damit einen höheren Stand darzustellen, so ist es verwerflich und widerspricht meiner Regel nach Gleichheit. Es ist somit falsch.“
Jetzt wird sein Blick tatsächlich noch eine Spur finsterer. So, als wenn ihm noch etwas ganz Entscheidendes eingefallen wäre: „Falls sie es dagegen aus direktem oder indirektem Zwang tun, dann läuft etwas ganz und gar falsch. Wenn sie es aus Angst vor psychischer oder physischer Gewalt tun, dann sind sie Opfer einer Verfehlung. Niemand, keine andere Frau und kein anderer Mann, darf sie dazu zwingen, etwas zu tun, was sie selbst nicht wollen.“
Erneut hält es ihn nicht mehr auf seinem Stein und mit deutlich festerer Stimme ergänzt er: „Die gezwungenen Frauen sind nur Opfer. Die Menschen jedoch, die den Zwang ausüben, werden den gerechten Lohn für ihre Verfehlung erhalten. Kein Mann hat höhere Rechte als eine Frau und keine Frau hat mehr Rechte als jede andere Frau. Das ist Unterdrückung. Und Unterdrückung führt in den Untergang.“
„Einige dieser Frauen tragen solche Kleidung tatsächlich freiwillig, wie ich erfahren habe“, nehme ich den Faden wieder auf, „aber sie tun du dies nur, um nicht als Freiwild für Männer angesehen zu werden. Sie verhüllen sich, um nicht sexuell belästigt zu werden.“
Er sieht mich mit traurigem Blick an und fragt: „Du meinst solche Fälle, in denen Frauen fürchten, sich offen zu zeigen, weil bestimmte Männer sie sonst gegen ihren Willen bedrängen würden?“
„Richtig“ antworte ich, „einige Männer werden durch den Anblick einer hübschen Frau dermaßen ‚inspiriert‘, dass sie nicht widerstehen können und andere vertreten die Auffassung, dass Frauen sich gefälligst grundsätzlich zu verhüllen haben. Ansonsten wären sie Huren und stünden zur freien Verfügung.“
„Die erste Gruppe sind keine Männer, sondern schwanzgesteuerte Primaten, mein Freund“, sagt er. „Wir sind ja heute unter Männern, da darf ich auch einmal deutlicher werden“, grinst er und zwinkert mir zu. „Im Ernst: Der Mensch ist die erfolgreichste Lebensform auf der Erde, weil er es geschafft hat, seine Instinkte mit seinem Verstand zu beherrschen. Glaubst du, dass ein hochentwickeltes und dadurch zu geistigen Höchstleistungen fähiges Lebewesen, sich, einfach nur so, von seinem Fortpflanzungstrieb überwältigen lässt und auf Frauen losgeht, die das nicht wollen?“
„Ähh, es sollte nicht so sein, oder?“ frage ich etwas unsicher zurück.
„Es ist auch nicht so, Claude. Diese Typen haben nicht genügend Verstand, um ihre Triebe zu beherrschen. Sie sollten lernen, ihren Verstand zu schärfen. Wer sich selbst nicht beherrschen kann, beherrscht auch nichts Anderes.“
Für einen Augenblick blitzt ein Bild mit stammelnden Halbaffen vor meinem geistigen Auge vorüber, weil Isaak aber immer noch diesen traurigen Blick auf mich gerichtet hat, vernebelt es sich sofort wieder. Nun aber wandeln sich die Züge des bärtigen Riesen wieder und sie zeigen blanke Wut, was mich sofort wieder gefangen nimmt.
„Die andere Gruppe“, setzt er mit frostiger Stimme fort, „ist das wirkliche Übel. Denn diese Männer halten sich für etwas Besseres. Eine Hure würde eine Bezahlung für ihre Dienste verlangen und sich ihre Freier sorgsam aussuchen. Also ist diese Behauptung eine simple Lüge. Diese Lügner aber, diese ‚Besonderen‘, fühlen sich im Recht und nehmen sich, was sie wollen. Sie müssten es nicht tun, aber sie wollen es tun. Sie tun es einfach, weil sie sich für die ‚Herren‘ halten. Dabei haben sie nicht einmal die Bezeichnung ‚Mensch‘ verdient. Sie werden zur Rechenschaft gezogen werden. Sie werden lernen müssen.“ Seine Worte klangen hart und zornig und absolut ernst gemeint.
Während seiner Erläuterung war er schon dreimal ums Feuer gegangen, setzt sich aber nun ganz langsam wieder auf seinen Stein, schaut ein paar Sekunden in die Flammen und greift zu seinem Becher, um einen Schluck zu nehmen. Dann setzt er, schon wieder deutlich ruhiger, seine Erklärung wieder fort: „Sie folgen einer Ideologie und einem Rollenverständnis, welche nicht gut für die Zukunft sind. Du kennst ja meine Regeln: Männer und Frauen sind gleich wertvoll. Um der Menschheit willen müssen alle Geschlechter an einem Strang ziehen. Sie müssen sich ergänzen und respektieren.“
Ich hebe kurz die Hand, weil mir etwas aufgefallen ist: „Du sagtest gerade ‚alle Geschlechter‘ und nicht ‚beide Geschlechter‘. War das Absicht?“
Erneut nimmt er einen Schluck Tee, bevor er antwortet: „Entschuldige, aber das hat nichts zu sagen. Außer vielleicht, dass es auch Lebensformen mit weniger oder mehr als zwei Geschlechtern gibt. Das trifft auf euch Menschen genetisch aber nicht zu. Abgesehen von seltenen Abweichungen der Geschlechtschromosomen oder Entwicklungsstörungen, also Intersexualität. Bei euch sind alle weiteren Geschlechter, über die ihr heutzutage gerne diskutiert, eher per Definition oder sexueller Orientierung entstanden. Aber das ist für mich in Ordnung.“
Ich blase meine Wangen auf und puste langsam die angehaltene Luft hindurch. „Ich dachte, mit der Genetik wären wir durch. Aber okay. Du meinst jetzt Bi- oder Homosexuelle?“
„Zum einen ja, zum anderen auch das subjektive Empfinden der eigenen Zugehörigkeit zu dem einen oder anderen Geschlecht oder einer Mischform daraus“, beantwortet er meine Frage und leert seinen Becher.
„Verstehe. Aber beißt sich das nicht mit deiner Ansage: Seid fruchtbar und mehret euch?“
Ich vernehme ein lautloses Lachen, in dem ein Hauch Resignation mitschwingt. „Ach, das schon wieder. Claude, der Fortpflanzungstrieb steht in eurer DNS. Seit Millionen von Jahren. Das muss euch niemand erklären, und ich schon mal gar nicht.“
Nun verstehe ich seine Reaktion und schüttele leicht den Kopf. „Also mal wieder eine menschengemachte Floskel?“
Er nickt nur. „Abgesehen davon: Warum sollten Menschen, die eine vom Standard abweichende sexuelle Orientierung haben, keine Kinder bekommen oder adoptieren können. Und zu guter Letzt: Glaubst du wirklich, dass die Geburtenrate dieser Welt ein paar Prozent Unfruchtbarkeit nicht verkraften kann?“
Diesmal ist es an mir, ein heiseres Lachen von mir zu geben. „Ich denke, das sollte kein Problem sein“, sage ich nur und stochere mit einem Stock in der Glut herum. Kleine Funken fliegen auf und erlöschen nur wenige Augenblicke später auf ihrem Weg nach oben.
„Ganz bestimmt nicht“, sagt er und legt seine Hand auf meine Schulter. Ich schaue ihn an, schaue in die Augen, die so viel Wissen, Weisheit, Verständnis und Güte in sich vereinen, wie ich es bei einem menschlichen Wesen noch nie gesehen habe. „Ich weiß, ich wiederhole mich: Alle Menschen sind gleich wertvoll, Claude. Und auch diese Menschen erweitern den Horizont eurer Spezies. Sie können genau so viel wie jeder andere zur Gemeinschaft beitragen und oft sogar noch viel mehr. Das hat überhaupt nichts mit Toleranz zu tun. Das ist eine Spielart der Natur und die Natur hat ziemlich viele dieser Spielarten. Eure Wissenschaft hat die komplexen Funktionen eures Genoms nicht einmal ansatzweise entschlüsselt. Aber ich will gar nicht wissenschaftlich werden, sondern appelliere nur an euren gesunden Menschenverstand. Ihr müsst das erkennbare Potenzial eurer Vielfalt nutzen, ohne den einen oder anderen Menschen höher oder tiefer zu stellen.“
Er nimmt die Hand wieder von meiner Schulter, sieht mir aber nach wie vor tief in die Augen und fährt dann eindringlich fort: „Ich baue auf eine sich stetig weiterentwickelnde Menschheit. Eine freie Menschheit, bestehend aus freien Menschen mit freien Gedanken. Nur so hat die Menschheit eine Chance, die Zukunft zu erleben und zu gestalten. Ein gesellschaftlicher Rücksturz ins Mittelalter – und das mit den heute verfügbaren technischen Möglichkeiten – wird die Menschen für Jahrtausende zur Bedeutungslosigkeit verdammen oder sogar restlos vernichten.“
Ich habe den Eindruck, dass er sein letztes Wort zu diesem Thema gesagt hat und nehme auch noch einen kleinen Schluck, bevor ich wieder zu sprechen beginne: „Ich glaube, ich weiß, was du meinst. Die Geschlechter sind unterschiedlich. Sowohl körperlich als auch geistig. Sie haben jeweils eine andere Sicht auf viele Dinge. Nur zusammen verfügen sie über das ‚gewusst wie‘, um die anstehenden Aufgaben zu meistern. Sehe ich das soweit richtig?“
„So ist es, Claude. Nur zusammen könnt ihr die anstehenden Aufgaben bewältigen. Wenn eine Gruppe eine andere unterdrückt, ist das schon großer Mist, wenn aber ein Geschlecht glaubt, erhabener als das andere zu sein, nur weil in grauer Vorzeit die Macht des Stärkeren galt, dann haben die ‚Erhabenen‘ den Wechsel in die Neuzeit verpennt. Mit solchen Leuten an der Spitze hätte eure Spezies keine Chance“, erklärt er kopfschüttelnd. „Es geht schon lange nicht mehr um die dicksten Arme, es geht um die besten Ideen, das weitsichtigste Denken.“
„Das blöde ist doch aber immer wieder“, muss ich an dieser Stelle dagegenhalten, „dass die Dummen mit den dicken Armen die schwachen Schlauen einschüchtern, um sich ihre Machtansprüche zu sichern.“
„Ja, verdammt! Weil die breite Masse sich ihrer Macht nicht bewusst ist. Wenn alle zusammenhalten würden, könnten sie jeden machtgeilen ‚Erhabenen‘ in Null Komma Nix von seinem selbstgebauten Thron stürzen“, wobei er eine heftig stoßende Bewegung mit beiden Handflächen macht. „Es ist Fakt, dass nicht jeder Mensch ein Führer sein will und kann. Das ist okay. Aber die Leute müssen ihre Führer auf eine einfache Art und Weise erwählen können – und wenn der Anführer sich nicht an seine Führungsversprechen hält, muss er auch umgehend wieder abgesetzt werden können. Da gibt es echt hübsche Möglichkeiten, aber darüber reden wir heute nicht.“ Mit einem Schmunzeln im Gesicht führt er seinen Becher zum Mund und trinkt etwas. „Außerdem:“, meldet er sich dann noch einmal zu Wort, „Schafft euer elendiges Geld ab. Das ist der größte Fluch der Menschheit. Geld und Macht gehen immer Hand in Hand. Das versuchte ich euch schon vor zweitausend Jahren klarzumachen, als die Geldgeier aus dem Tempel gejagt wurden.“
„Das jetzt auch noch. Eine Welt ohne Geld“, sage ich entgeistert. Wie soll das denn gehen?“
„Och, das geht ganz toll, du wirst dich wundern. Aber darüber reden wir noch“, erwidert er lächelnd.
„Da wollte ich nur eben etwas über religiöse Bekleidungsvorschriften erfahren und du erklärst mir, dass die Menschen sich fast alles selbst ausgedacht haben. Darauf legst du noch eine Portion Genetik, Psychologie, Demokratie, Sozialwissenschaft und Finanzwesen“, resümiere ich vor mich hin, „Meine Güte, das war heftig. Ich hoffe, dass ich das alles richtig notieren kann. Das müssen wir noch vertiefen, Isaak.“
„Das werden wir“, entgegnet er, „Aber es ist spät, mein Freund, oder besser gesagt, es ist schon wieder früh“, ergänzt er mit einem Blick auf die schon fortgeschrittene Morgendämmerung. „Lass uns einsteigen und fahren. Ich bleibe noch ein paar Minuten bei dir.“
Gemeinsam gehen wir durch den Sand auf mein Auto zu. Ich habe mich bei ihm untergehakt, denn ich eiere vor mich hin, während er mit schlafwandlerischer Sicherheit ‚schreitet‘ und so gelangen wir zur Beifahrertür. Ich öffne sie ihm und gehe langsam, mich am Auto festhaltend, auf die andere Seite.
Nachdem ich meinen Platz eingenommen habe, spricht er mich nochmal an: „Das wird gleich so laufen, Claude: Wenn du den Motor startest, stehst du wieder sicher auf dem Asphalt am Straßenrand. Sammle dich ein paar Sekunden und fahre dann einfach nach Hause, okay?“
„Okay“, sage ich, „so langsam kenne ich mich aus.“
Er lacht und antwortet dann: „Ja, du bist schon ein Profi. Ich möchte dir danken. Für deine Fragen, für dein Mitwirken und für deine Aufmerksamkeit. Wir sind ein gutes Team.“
„Ich danke dir für deine Offenheit und für dein Vertrauen in mich“, sage ich und reiche ihm die Hand. Er schlägt ein und schaut mir in die Augen. Da ist sie wieder: Die unglaubliche Energie, die auf mich übergeht, während ich ihn berühre und in seine alles wissenden Augen blicke. Bevor ich wieder einmal darin versinke, sage ich: „Gut, dann wollen wir mal…“, starte den Motor und stehe eine Ecke von meinem Haus entfernt am Straßenrand.
„Das wird eine kurze Heimfahrt“, sage ich grinsend zu mir selbst, glaube noch, sein schallendes Lachen zu vernehmen, und fahre los.
Die Einzige wird dich leiten – La sola gvidos vin
#lasolagvidosvin – #lasolaicu
Hat dir die Geschichte gefallen?
Es wäre nett, wenn du unsere Arbeit unterstützt.
Wie geht es weiter?
Das erfährst du auf der Seite „Neuigkeiten„.
Wähle über das Menü oder diese Liste
- 1a Über die „Geburt“ von Claude
- 1b Bin ich wahnsinnig oder nur verrückt?
- 2a Über die Verbreitung des Wortes
- 2b Und wie bringe ich das nun meiner Frau bei?
- 3a Über Fragen und Antworten
- 3b Eine willkommene Abwechslung
- 4a Über Pferderassen, Bekleidung und die Vielfalt
- 4b Der bärtige alte Mann
- 5a Über eine Welt ohne Geld
- 5b Geld macht nicht glücklich
- 6a Über die Entstehung des Universums
- 6b Unbekanntes Terrain
- 6c Endlich ein Anfang
- 6d Wie funktioniert eigentlich Claudia?
- 7a Über Menschen, Tiere und Speisevorschriften
- 7b Glückliche Schweine und andere Tiere
- 8a Über die Selbstbestimmung
- 8b Hoppe, hoppe, Reiter
- 9a Über die Ebenen des Universums
- 9b Sie ist mein Anker
- 10a Über die Kinder La Solas
- 10b Exotische Jahreszeiten
- 11a Über falsche Götter
- 11b Götterdämmerung
- 12a Über Rebeccas Heimkehr
- 12b Freude schöner Götterfunken
- 13a Über Rebeccas Vergangenheit
- 13b Julia trifft eine Freundin
- 14a Über die Allseitigkeit
- 14b Mit Julia am See
- 15a Über eine Fahrt ins Ungewisse
- 15b Über den Weg der Göttin
- 16a Über Raum und Zeit
- 16b Über ein besonderes Wochenende
- 17a Über fiese alte Männer
- 17b Aller Abschied fällt schwer
- 18a Über fantastische Möglichkeiten
- 18b Utopia
- 19a Offen
- 19b Offen
- 20a Über den Blitz der Erkenntnis
- 20b Nachleuchten
- –
- Home